Tutzing – Der ortspolitische Kommentar

Tutzinger Nachrichten 
30. Jahrgang www.tutzinger-nachrichten.de Heft 03 / März 2012

SCHLAGLICHT

Der ortspolitische Kommentar

Kann eine Firmenpräsentation die Basis für eine Gemeinderatsentscheidung über eine wichtige örtliche Weichenstellung in Sachen Energie und Umwelt bilden?

Durchaus, wenn diese Präsentation von den Promotoren des Projekts, das die Gemeinde und seine Bürger elementar betrifft, nicht die einzige Basis sachgerechter Willensbildung bleibt. Genau dieses Defizit aber weist die Unterlage aus, die der Erste Bürgermeister den Gemeinderäten für die Beratung über das Geothermiewerk in Bernried / Tutzing-Süd Mitte Februar zukommen ließ.

Es handelte sich um die originalgetreue Präsentation der Projektfirma BE Geothermal GmbH, von der gewiss weder verlangt werden kann noch zu erwarten ist, dass sie selbst begründete Zweifel an der energetischen und wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des in der Höhenrieder Flur geplanten Kraft- und Wärmewerkes publiziert, an den Auswirkungen auf Natur und Landschaft, auf Verkehr und Lärm.
Solche Einwände aber haben Bund Naturschutz und Bürgerinitiativen in seriösen und fundierten Stellungnahmen in Fülle vorgebracht. Immerhin wachsen mit der Tie- fenbohrung (bis fast 5000 Meter) und danach Bohrtürme, Pipelines, Produktionswerke und Betriebsgebäude heran, die sich ohne die Infrastruktur drumherum hektarweit erstrecken. Zum Vergleich: Der Flächenverbrauch entspricht dem Dreifachen des benachbarten Höhenrieder Klinikareals. Nur dass es auf und um das Werksgelände deutlich lebhafter zugehen wird.

Begründet wird das industrielle Großprojekt mit dem ökologisch gebotenen Umstieg auf erneuerbare Energien. Und wer wagt es, sich hier dem hoch subventionierten Megatrend, an den sich Windmüller, Sonnenkraftgläubige und Maisanbauer profitabel anhängen, in den Weg zu stellen? Die auf Jahrzehnte feste Einspeisevergütung lockt und verdrängt die Sorgfalt einer pflichtgemäßen Abwägung im konkreten regionalen Umfeld. So können sich die Betreiber mit der Wärmeausbeute der Bernrieder Tiefengeothermie schon deshalb nicht begnügen, weil nur die Erzeugung von Strom jene rentierlichen Vergütungen bringt, die alle Haushalte ungefragt per Umlage bezahlen. Für das Wärmeangebot müsste man direkt zahlende Abnehmer finden, die es aber in diesem Umfeld nicht in ausreichender Zahl gibt. Es sei denn, die Gemeinde Tutzing ließe sich auf eine Fernwärmeversorgung aus dem Bernieder Heizkraftwerk ein, was kaum zu stemmende Gemeindemittel für entsprechende Investitionen verlangen würde.

Bitte richtig verstehen: Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine Herausforderung, der sich die Deutschen in allen Gemeinden stellen müssen und – so die Umfragen – auch stellen wollen. Aber dieser Goodwill darf nicht nach Rasenmähermethode planiert werden, sonst geht die Wende in die falsche Richtung. Die Ernüchterung zum Beispiel über die Effizienz der milliardenschwer geförderten Sonnenkraft hat schon gallopartig eingesetzt.

So soll sich der Gemeinderat bei seiner künftigen Befassung bitte nicht mit bloßen Firmenprospekten abfinden lassen. In seiner Verantwortung hat er Anspruch auf mehr.

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