Tiefe Geothermie klingt auf den ersten Blick nach einer idealen Energiequelle: Sie ist wetterunabhängig, nahezu CO₂-frei und liefert Grundlaststrom oder Wärme. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass sie in Deutschland und vielen anderen Regionen bislang nur eine Nischenrolle spielt. Das liegt an mehreren technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Nachteilen, die sich gegenseitig verstärken.
Hier sind die Hauptgründe, warum tiefe Geothermie oft wirtschaftlich nicht darstellbar ist:
1. Hohe Investitionskosten und Risiko
- Erkundungskosten: Vor der Bohrung sind seismische Untersuchungen und Machbarkeitsstudien nötig. Diese sind teuer und bieten trotzdem keine Garantie, dass man tatsächlich ausreichend heißes Wasser oder Dampf findet.
- Bohrkosten: Bohrungen bis 3–5 km Tiefe können pro Bohrung mehrere Millionen Euro kosten. Ein einzelnes Projekt liegt schnell bei 20–30 Millionen Euro oder mehr.
- Fündigkeitsrisiko: Wird die gewünschte Temperatur oder Durchflussmenge nicht erreicht, ist das Projekt wirtschaftlich kaum noch zu retten. Versicherungen gegen dieses Risiko gibt es nur eingeschränkt und teuer.
2. Geologische Unsicherheiten und Induzierte Seismizität
- Bei Tiefbohrungen kann es zu Mikrobeben kommen. Prominentes Beispiel: Basel 2006, wo ein Geothermieprojekt Erdbeben auslöste, die Schäden verursachten.
- In dicht besiedelten Regionen ist das Risiko politisch und gesellschaftlich schwer vermittelbar.
- Geologische Bedingungen sind sehr unterschiedlich – ein Projekt kann wirtschaftlich laufen, während ein anderes in 50 km Entfernung scheitert.
3. Lange Entwicklungs- und Amortisationszeiten
- Vom ersten Gutachten bis zur Inbetriebnahme können 5–10 Jahre vergehen.
- Die Investitionen müssen über Jahrzehnte abgeschrieben werden, während Fördermittel und Strompreise unsicher sind.
- Bei Fernwärmeprojekten braucht man ein dichtes Wärmenetz – das ist teuer und dauert lange im Aufbau.
4. Technische und ökologische Probleme
- Verkalkung und Korrosion: Das Thermalwasser enthält oft gelöste Salze und Mineralien, die Leitungen und Wärmetauscher zusetzen können.
- Rückführung des Wassers: Das abgekühlte Wasser muss wieder in den Untergrund gepumpt werden, um den Druck zu erhalten – das verursacht zusätzliche Kosten und technische Komplexität.
- Begrenzte Ressourcen: Zu starker Wärmeentzug kann dazu führen, dass das Reservoir sich nicht schnell genug regeneriert.
- Solar- und Windenergie sind inzwischen wesentlich günstiger und schneller zu installieren.
- Speichertechnologien wie Batterien oder Power-to-Heat machen die Grundlastfähigkeit der Geothermie weniger einzigartig.
- Staatliche Förderungen konzentrieren sich stärker auf Photovoltaik und Wind, weil sie kurzfristig größere CO₂-Einsparungen bringen.
6. Fehlende Skalierbarkeit
- Tiefe Geothermie ist standortabhängig: Nur in geologisch geeigneten Regionen lohnt sich die Nutzung.
- Man kann sie nicht beliebig skalieren, wie etwa Wind- oder Solaranlagen.
Fazit
Tiefe Geothermie scheitert oft an einer Kombination aus hohen Anfangsinvestitionen, langen Amortisationszeiten, geologischen Risiken und politisch-gesellschaftlicher Unsicherheit.
Selbst wenn die Technik funktioniert, ist sie wirtschaftlich oft nicht konkurrenzfähig zu Wind- und Solarstrom. Daher wird sie derzeit meist nur dort realisiert, wo:
- natürliche Bedingungen ideal sind (z. B. Südbayern, Island),
- Fördermittel großzügig vorhanden sind,
- oder Wärmenetze bereits existieren.