Offener Brief an die Mitglieder des Gemeinderates Tutzing

Warum sich Tutzing nicht an der Geothermie-Aufsuchungserlaubnis in Kooperation mit der BE Geothermal GmbH beteiligen sollte.

Nachdem Bürgermeister Dr. Wanner von Informationsbedarf spricht, hier ein paar Überlegungen aus Sicht der BIF UN2AE. Auf die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit und die Frage der Wirtschaftlichkeit soll hier jetzt nicht eingegangen werden, umfangreiches Informationsmaterial dazu finden Sie auf www.alternative-energiequellen.info.

Festzuhalten ist ersteinmal, dass es laut Dr. Wanner nur folgende Optionen gibt:

– entweder steigt die Gemeinde Tutzing mit Feldafing und Pöcking ins Boot und beschliesst, eine Aufsuchungserlaubnis in Kooperation mit der BE Geothermal zu beantragen (dies würde die Zuschlagschancen erhöhen)

oder

– Tutzing beteiligt sich nicht an einer Aufsuchungserlaubnis, diese ergeht an Dritte, etwa die Stadtwerke München. Warum keine andere Firma mit den Gemeinden kooperieren kann oder will bleibt genauso ungeklärt wie die Frage, ob sich nicht Pöcking und Feldafing ohne Tutzing um die Aufsuchungserlaubnis bemühen.

Die Besatzung der MS "BE Geothermal", von links nach rechts: Steigenberger, Wanner, Schnitzler, Sontheim und Steuermann Stahl.

Risiken und Nebenwirkungen des kommunalen Modells

Bisher gibt es in Deutschland kein wirtschaftlich auch nur annähernd erfolgreiches Geothermie-Projekt mit Stromerzeugung. Die vermeintlich schwarzen Zahlen aus Unterhaching beziehen sich auf die Tochtergesellschaft. Die Gemeinde selbst verschuldet sich dagegen immer höher, wichtige kommunale Aufgaben müssen zurückstehen.

Ein Fernwärmenetz Pöcking-Feldafing-Tutzing müsste auf Kosten der Gemeinden gebaut werden und würde Unsummen verschlingen – bei der momentanen Finanzlage und den grossen Entfernungen eine völlig realitätsferne Utopie.

Die Gemeindekassen sind alles andere als gut gefüllt. Etwaige Gewerbesteuereinnahmen durch den Betrieb eines GKWs sind nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Es bestünde die Gefahr, dass die wichtigsten Gewerbesteuereinnahmen wegfielen, weil Betriebe mit feinmotorischen Einrichtungen ihre Arbeit einstellen müssten und abwandern würden. Verluste sind also vorprogrammiert, was ein Blick nach Landau oder Unterhaching ja auch bestätigt. Zwar warnt der Bürgermeister davor, solche Überlegungen zu früh anzustellen, aber trotzdem müsste doch ein solch aussichtsloses Unterfangen schon in der Anfangsphase abgelehnt werden können.

Das Heft des Handelns – vermeintliche Vorteile

Die BE Geothermal bei einer Beantragung zur Aufsuchungserlaubnis als kompetenten Partner mit ins Boot zu nehmen, besitzt ja eine gewisse Logik, geht aber von falschen Voraussetzungen aus. Die BE Geothermal hat sich bisher nicht als kompetenter Partner gezeigt. Es handelt sich um eine kleine Gruppe von Leuten, die keinerlei Erfahrung vorzuweisen haben. Nicht ein einziges realisiertes Projekt findet sich in ihrem Portfolio, kein einziges Mal wurde gebohrt, geschweige denn heisses Wasser gefördert.

Stattdessen zeichnet sich die Firma durch unprofessionelles Auftreten (Briefkastenbüros, vorschnelle Ankündigungen und exotische Firmensitze), realitätsfremde Zeitpläne und eine beispiellos katastrophale Öffentlichkeitsarbeit aus. Innerhalb kürzester Zeit hat es die BE Geothermal durch ihr ungeschicktes und rücksichtsloses Auftreten geschafft, dass sich an die 1100 Bürger aus Tutzing und Bernried gegen das geplante Kraftwerk in einer Bürgerinitiative organisieren, obwohl noch nicht ein Spatenstich gesetzt wurde.

Abgesehen davon: wie soll das denn technisch und finanziell realisierbar sein? Wie soll die finanzielle und materielle Doppelbelastung gestemmt werden? Es müsste ja innerhalb von 3 Jahren begonnen werden, wie will die BE Geothermal das denn schaffen? Allein die Bohrarbeiten in Bernried werden voraussichtlich 2 Jahre in Anspruch nehmen, wenn alles glattläuft. Bohrtürme sind Mangelware, Seismik-Trupps stark beschäftigt und der australische Investor befindet sich in stürmischem Fahrwasser. Davon abgesehen, würde ein Fehlschlag (etwa unzureichende Schüttung) des einen Projekts das andere unweigerlich mit in den Abgrund reissen.

Sollen etwa Gemeinden, die ihre kommunalen Aufgaben nur mit Mühe und Not finanzieren können, mit Bürgschaften einspringen, als Preis für die Möglichkeit zur Mitsprache? Es drängt sich der Eindruck auf, als wolle die BE Geothermal eine Beteiligung der Gemeinde Tutzing in erster Linie, um ihre Interessen bei der Verwirklichung des Bernrieder Projektes zu befördern – auf Kosten der Tutzinger Bürger.

Was nun die Mitsprache und Mitgestaltung angeht:

– wenn die BE Geothermal in Bernried und in Tutzing aktiv würde, wären Entscheidungen zu Ungunsten der BE Geothermal (etwa beim Ausbau des Feldweges Unterzeismering-Auweiher für 100-Tonner LKWs) Vergangenheit, hierdurch entfiele die Möglichkeit eines notwendigen Regulativs, die BE Geothermal könnte ihre Interessen wesentlich einfacher und gegebenenfalls gegen die Interessen der Bürger durchsetzen.

– Bernrieds Bürgermeister Steigenberger musste auf einer Informationsveranstaltung der BE Geothermal zugeben, selbst wenn die Gemeinde Bernried aus dem Projekt austiege, würde es dennoch gebaut, das könne man nicht mehr verhindern. Sieht so Mitsprache aus? Eine kommunale Beteiligung ist nach den bisherigen Erfahrungen in Bernried kein Blankoscheck auf Mitsprache, im Gegenteil, die Gemeinde schaut in die Röhre. Für den Betreiber jedoch ist es eine bequeme finanzielle Absicherung, welche die Investition zu einem grossen Teil überhaupt erst ermöglicht.

– mehr oder minder das gesamte Westufer des Starnberger Sees würde sich bei dem Fernwärmenetz in die Hände eines einzelnen Anbieters begeben. Dieser könnte in solch einer Monopolstellung die Preise beliebig gestalten, was schwerlich im Interesse der Bürger sein kann. Aufgrund der dann vorhandenen Machtposition des Betreibers bestünde die Gefahr, dass Firmeninteressen vor Bürgerinteressen gingen.

Wenn das Heft des Handelns impliziert, dass man, nach Schilderung Dr. Wanners, praktisch nur diese eine Option habe, dann muss da schon im Vorfeld einiges schief gelaufen sein, Optionen sollte es ja immer zumindest zwei geben.

Die Alternative

Sollte sich also Tutzing nicht um eine Aufsuchungserlaubnis bewerben und die BE Geothermal aussen vor lassen, würde der Zuschlag wohl an die SWM gehen. Das ist natürlich auch nicht ideal, aber immerhin handelt es sich hierbei um ein Unternehmen, das über Einiges an Erfahrung verfügt und zumindest wirtschaftlich realistisch agiert. Hinzu kommt, dass die SWM auch ihr Renommée berücksichtigen müssen und ein Projekt nicht gegen den Widerstand der Bürger und der Gemeindepolitik durchdrücken könnten. Der Gemeinde Tutzing bliebe also ein Gestaltungsspielraum sowohl gegenüber der SWM (etwa bei Grundstücksvergabe, Strassenausbau etc.) als auch gegenüber dem BE Geothermal-Projekt in Bernried. Dass man nun u.U. als Verhinderer dastünde, ist natürlich ärgerlich, andererseits sollten die Belange der Bürger und ein verantwortungsvolles Handeln vorgehen.

Falls die SWM wider Erwartens auf eine ausreichende Schüttung stoßen, würden sie höchstwahrscheinlich ein GKW zur Stromerzeugung mit Fernwärmeauskopplung errichten. Andere Alternativen (also nur Strom oder nur Fernwärme) sind aus wirtschaftlichen Gründen unwahrscheinlich. Was wiederum für Tutzing bedeuten würde, dass die Fernwärmeoption erhalten bliebe, da der Betreiber auf Abnehmer in unmittelbarer Nähe angewiesen ist. Aus Wettbewerbsgründen müssten die Stadtwerke dann auch einen realistischen Preis anbieten, einen Anschlusszwang könnten diese ja wohl nicht aussprechen.

Fazit

Es gibt eine Vielzahl an Gründen, die gegen eine Beteiligung Tutzings an einer Aufsuchungserlaubnis unter Beteiligung der BE Geothermal sprechen und zwar unabhängig davon, ob man tiefe Geothermie befürwortet oder ablehnt. Tatsächlich wäre eine Vergabe an die SWM ein für Tutzing deutlich kleineres Übel.

Eine bereits durchgeführte Abstimmung im Gemeinderat Tutzing führte zu einem eindeutigen Ergebnis. Ein davon abweichendes Ergebnis bei einer neuerlichen Abstimmung würde unseres Erachtens bei einem Großteil der Bürger auf Unverständnis stossen.

Vielen Dank, für Ihre Aufmerksamkeit.