oder: Der Bock zum Gärtner
Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG
im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Vorhaben IIb (Geothermie) Endbericht – vorläufige Fassung
Projektleitung: Wirtschaftsforum Geothermie, Thorsten Weimann
(Mitglieder des Wirtschaftsforums Geothermie sind u.a. EnBW, RWE, e.on und Vattenfall)
Seite 16
3.4 Öffentliche Akzeptanz
Die öffentliche Meinung war zunächst bei den betroffenen Bürgern sehr positiv, wie das Beispiel Unterhaching zeigt. Heute zeigt sich ein differenziertes Bild. Während die breite Bevölkerung von der Geothermie nach wie vor kaum Notiz nimmt, formiert sich in der näheren Umgebung der in Planung befindlichen Projekte zunehmend Widerstand.
Generell werden Projekte, die auch Fernwärme anbieten, besser akzeptiert als reine Stromprojekte. Bei Wärmeprojekten ist es für die Bevölkerung einfacher, einen direkten Nutzen zu erkennen, als bei Stromprojekten.
Die Akzeptanz erhöht sich deutlich, wenn die betroffene Bevölkerung direkt und mit positivem Effekt an dieser Technologie partizipieren kann. Die Verstromung erscheint der Bevölkerung „unpersönlich“: Der Strom geht ins allgemeine Netz der großen Konzerne und verschwindet dort im Wesentlichen zum Nutzen der Konzerne, aber vor Ort hat man die Folgen der Technologie zu tragen.
Kritisiert werden vor allem induzierte Seismizität, aber auch andere Themen wie Lärmbelästigung, verwendete Arbeitsmittel oder optische Beeinträchtigungen. Mikroseismische Ereignisse können durch entsprechende Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit akzeptabel gemacht werden, alle anderen Umweltbeeinflussungen (z.B. Lärm) lassen sich technisch, d.h. mit entsprechenden finanziellen Mitteln, soweit reduzieren, dass sie von der Bevölkerung akzeptiert werden können.
Der Hauptkritikpunkt an geothermischen Anlagen seitens der Bevölkerung ist die Angst vor Erdbeben. Während das seismische Ereignis in Basel 2006 in Deutschland keine Auswirkungen auf die Meinungsbildung hatte, wurde das seismische Ereignis in Landau 2009 von den Medien stärker aufgegriffen und bei der Bevölkerung mit Besorgnis aufgenommen. Wichtig ist nun, die Beherrschbarkeit der seismischen Prozesse zu vermitteln. Dies muss unbedingt schon anhand der hydrothermalen Projekte geschehen, sonst wird der Schritt zur Nutzung der petrothermalen Geothermie umso schwieriger.
Zudem müssen die potenziellen seismischen Ereignisse in Relationen gesetzt werden. Die Möglichkeiten von Erschütterungen, deren Entstehung und deren mögliche Auswirkungen muss kommuniziert und durchaus auch mit anderen alltäglich vorkommenden Erschütterungen (abhängig von der regionalen Geologie, vom Straßenverkehr, Bahnstrecken) verglichen werden.
In Bürgerinitiativen haben sich die Geothermiegegner öffentlichkeitswirksam formiert. Durch Homepages und Flyer werden Informationen, die allzu oft jeder Grundlage entbehren, verteilt. Die in Bürgerinitiativen engagierten Bürger lassen sich zum Großteil der Gruppe der sogenannten „NIMBYs“ (Not In My Backyard) zuordnen.
(Anmerkung Redaktion BIF UNAE: Die Bürgerinitiativen bestehen aus mehreren Tausend Mitgliedern und gemeinnützigen Vereinen. Bis heute wurden die fachlichen Ausarbeitungen der Bürgerinitiativen von den Lobbyverbänden nicht widerlegt.)
Beim PtJ wurde eine Skizze für eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit eingereicht. Dabei soll ein auf die Geothermie zugeschnittenes Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit entstehen, das an einem derzeit in Planung befindlichen Projekt erarbeitet und umgesetzt wird. Zukünftige wie auch schon bestehende Projekte sollen dadurch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit unterstützt werden. Zusätzlich soll die allgemeine Berichterstattung, auch über die derzeit geothermisch genutzten Gebiete hinaus, ausgebaut werden.
(…)
Handlungsempfehlungen – Auszug:
Der Verkauf von Wärme sollte für die Wirtschaftlichkeit der Projekte nicht ausschlaggebend sein. Ansonsten wird die Anzahl an Projekten sehr beschränkt bleiben, da das Zusammentreffen von günstigen geologischen Verhältnissen und vorhandenen Wärmenetzen nicht häufig der Fall ist. Die Investition in neue Fernwärmenetze erfordert wiederum viel Eigenkapital vom Investor oder eine entsprechende kommunale Absicherung, was die Zahl der möglichen Investoren stark einschränkt. Die Neuregelung soll folglich die nötigen Randbedingungen (vor allem die Vergütung) für eine zügige Umsetzung von vielen Projekten schaffen.
(…)
7.1.5 Ergebnis der Berechungen
Unter den oben genannten Bedingungen benötigt das Musterprojekt eine Vergütung von 27ct/kWh um die Wirtschaftlichkeit zu erreichen. (…)
7.2 Umsetzung im EEG
7.2.1 Grundvergütung
Es wird eine Anhebung der Grundvergütung von derzeit 16,0 ct/kWh auf 20,0 ct/kWh empfohlen.
Kein Projekt ist nach den im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten in der Lage mit der aktuellen Grundvergütung einen wirtschaftlichen Betrieb zu realisieren.
Ganzes Doc des Wirtschaftsforums Geothermie im Auftrag des Steuerzahlers / BMU:
www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/eeg_eb_2011_geothermie.pdf
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Bundesregierung erfüllt Lobby-Wünsche zu 100%
05.07.2011
Die Bundesregierung hat eine Novelle des EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) beschlossen und damit auch die Förderbedingungen für die Tiefe Geothermie angepasst.
Die Änderungen im Einzelnen:
§ 28 Geothermie
(1) Für Strom aus Geothermie beträgt die Vergütung 25,0 Cent pro Kilowattstunde.
(2) Die Vergütung nach Absatz 1 erhöht sich für Strom, der auch durch Nutzung petrothermaler Techniken erzeugt wird, um 5,0 Cent pro Kilowattstunde.
Wärmenutzungs- und Frühstarter-Bonus werden in die Grundvergütung integriert, und diese wird zusätzlich um 2 Cent/kWh erhöht (§ 28 EEG). Der Technologie-Bonus für petrothermale Projekte wird ebenfalls erhöht, und der Beginn der Degression wird auf 2018 verschoben und die Degression zugleich auf 5 Prozent erhöht.
Tiefengeothermie-Förderung im EEG angepasst: Geothermie-Nachrichten
Eigenstrombedarf – Mehr Brutto vom Netto
Der immense Eigenstromverbrauch der Anlagen (nach Betreiberangaben 30 – 70% der erzeugten Strommenge) darf weiterhin aus billigem Industriestrom gedeckt werden. Vergütet wird die Bruttostrommenge.
Dies hat zur Folge, dass sich mit einem Ausbau der Geothermie zur Stromerzeugung der Strompreis in Deutschland unnötig verteuert, da es sich großteils um eine “Stromveredelungsanlage” handelt.
Den hohen Eigenstrombedarf werden die Betreiber durch günstigen Industriestrom, z.B. aus Atom- oder Kohlekraftwerken decken. Das bedeutet, dass die Nettostromerzeugung der Geothermiekraftwerke wesentlich höher vergütet wird als die nun beschlossenen 25 cent/kWh.
Abhängig von der Höhe des Eigenbedarfs und des Industriestrompreises ergibt sich eine Nettovergütung von ca. 0,33 – 0,69 €/KWh für den Strom aus tiefer Geothermie, der dem Netz tatsächlich zusätzlich zur Verfügung gestellt wird. Das ist der mit Abstand höchste Vergütungssatz – die Überförderung ist nicht nachzuvollziehen. Andererseits werden gleichzeitig Förderungen für effizientere Stromerzeugungs-Anlagen (Biomasse, Solar, Wind an Land) von denen auch der Klein- und Privatanleger profitieren könnte, mit der EEG-Novelle gekürzt.
Schlusskommentar: Scheitern der Energiewende beabsichtigt?
Das EEG wird durch die erhöhte Förderung der Stromerzeugung aus tiefer Geothermie – der teuersten und am wenigsten nachhaltigen Energieform – möglicherweise zu einem Scheitern der Energiewende beitragen.
Unverständlich ist zudem, warum die Bundesregierung derlei Studien an die profitierende Industrie selbst in Auftrag gibt, sozusagen als „Wunschzettel“, während Untersuchungen und Empfehlungen des Sachverständigenrats der Bundesregierung in vielen Punkten unberücksichtigt bleiben.
R.F-J