GKW Bernried – Sondersitzung in Tutzing – 13:4 pro Klage

Offensichtlich auf Druck der Bürger und Teilen des Gemeinderats berief Bürgermeister Wanner die bereits abgesagte Sondersitzung am 23. Oktober kurzfristig doch noch ein. Eingeladen war dazu auch der bayerische Gemeindeverband.
Gemeinderat Rudolf Krug hatte auf Grund der fehlerhaften Information der Gemeinderäte am 9. Oktober eine Neu-Behandlung des Themas gefordert.

Gelegenheit für Rechtfertigung
RA Klaus Thoma, der gegen die Nachbargemeinde Wielenbach die Erdwärme Oberland GmbH & Co KG (GeoGlobal Energy) vertritt, rechtfertigte ausführlich warum die Gemeinde Tutzing aus seiner Sicht keine Chancen habe, gegen eine bergrechtliche Bewilligungen für ein Kraftwerksprojekt auf ihrem Gemeindegebiet zu klagen.

Ebenso bestritt Thoma – insbesondere an die anwesende Presse gewandt – einen Interessenkonflikt, der sich daraus ergeben könne, dass er eine Gemeinde gegen ein Geothermieprojekt vertritt und in einem ähnlichen Fall für die Erdwärme Oberland GmbH & Co KG (Global Energy USA) gegen die Nachbar-Gemeinde agiert.

Wie die Süddeutsche Zeitung am 11. Oktober schrieb, „hat die Doppelberatung (von RA Thoma) ein Geschmäckle“
Insider wissen natürlich, dass der Kraftwerksentwickler im Claim Bernried, L. K. Stahl (BE-Geothermal Kraftwerks GmbH), mit Dr. Markus Wiendieck (Erdwärme Oberland GmbH & Co KG), Claim Wielenbach/Weilheim, enge Verbindungen haben und kollegial kooperieren.

Wie RA Thoma in der Gemeinderatssitzung ausführte, hatte er Kontakt zum zuständigen Richter im Verwaltungsgericht aufgenommen, um mit diesem über die beiden anhängigen Klagen der Bürgerinitiative zu sprechen. Thoma teilte den Vetretern der BI so auch den Termin der mündlichen Verhandlung mit, den diese auf offiziellem Wege oder über ihren eigenen Anwalt noch nicht erhalten hatte.
Wir fragen uns, ob nicht auch das „Geschmäckle“ hat: Warum erhält RA Thoma vom Verwaltungsgericht Informationen über einen Prozess, an dem er gar nicht beteiligt ist?

Kehrtwende
Um so erstaunlicher war dann die Kehrtwende von Bürgermeister Wanner, selbst Rechtsanwalt. Statt wie Thoma mit unbekannten Zahlen zu jonglieren, fasste Wanner das Entscheidungsrisiko der Gemeinde für eine Klage sachlich zusammen. Die Klageeinreichung, um für weiteres Vorgehen Freiräume zu schaffen, würde allenfalls ein paar hundert Euro kosten. Wie weiter aus dem Gemeinderat zu hören war, ist die Gemeinde zudem rechtsschutzversichert.

13 : 4 für eine Klage

Die darauf folgende Neu-Abstimmung im Gemeinderat war mit 13 : 4 für eine Klage eine eindeutige politische Entscheidung.
Dieses politische Signal zeigt deutlich, dass die Stadt Tutzing nicht mit den bergrechtlichen Vorgängen auf ihrem Gemeindegebiet einverstanden ist.

Tatsächlich sind die Aussichten von Gemeinden, Ihre Selbstverwaltung gegen das Bergrecht durchzusetzen derzeit gering. (siehe unten)
Alle Massnahmen nach Baurecht unterliegen aber ganz normaler Gesetzgebung, in der die Gemeinden ein Mitspracherecht haben. Bauanfragen sollen bisher nicht eingegangen sein. 

 

 „Bergrecht bricht Grundrecht“

Bis heute entspricht das Bergrecht nicht den Grundsätzen einer modernen und demokratischen Rechtssprechung.

Das Bergrecht beinhaltet im wesentlichen frühere Landesberggesetze: Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten von 1865, das Gesetz zur Erschließung von Erdöl und anderen Bodenschätzen, sowie die Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze von 1934.

„Vom  12. Jahrhundert über die Weimarer Republik und dem NS – Staat sowie dem DDR – Bergrecht steht das heutige Bundesberggesetz als ‚Sonderrecht’ also in stetig  fortgeschriebener Tradition. Einer Tradition zu Lasten der Grundeigentümer und zugunsten der Bergbauunternehmer.“ Ludger Klus

Anpassung des historisch gewachsenen Bergrechtes an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts gefordert
Anträge zur Änderung des Bergerechts von:

  • SPD
    Die antragstellende Fraktion der SPD fordert, das Bundesberggesetz und die Verordnung über Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben so zu reformieren, dass Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz im gesamten Verfahren deutlich erhöht werden.
  • BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezeichnet das geltende Bergrecht als anachronistisch. Die Behörden hätten bei Anträgen auf Genehmigung zum Abbau von Bodenschätzen heute keine Befugnisse, die Erforderlichkeit des Vorhabens zu hinterfragen oder dessen Nutzen gegen die vom Bergbau verursachten Schäden abzuwägen. Auch bei der Genehmigung des konkreten Abbaus werde den betroffenen Menschen die Wahrung ihrer Rechte unmöglich gemacht.
  • DIE LINKE
    Die Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag eine völlige Neugestaltung des Bergrechts. Das neue Recht müsse vor allem auf Konfliktvermeidung setzen und sich bei der Genehmigung von Bergbauvorhaben an den Planfeststellungsverfahren orientieren.

CDU/CSU und FDP
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP glauben, das Bergrecht habe sich bewährt und lehnen eine Änderung ab.

Deutscher Bundestag Drucksache 17/10182
17. Wahlperiode
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
28. 06. 2012