Stromnetze – „Größenwahn? Den braucht man auch“

Der Verkauf von Stadtwerken und Stromnetzen an Großkonzerne und nur ihren Aktionären verpflichteten Aktiengesellschaften hat sich als Irrweg erwiesen.

Doch wie soll eine Rückabwicklung verlaufen?

 

„Größenwahn? Den braucht man auch“

Berliner Stromnetz in Bürgerhand
Eine Genossenschaft will das Berliner Stromnetz kaufen. Sie braucht ein paar Millionen Euro und viel Organisation. Bisher heißt der Netzbetreiber Vattenfall.
VON FIONA WEBER-STEINHAU

„An vielen Orten in Deutschland planen BürgerInnen oder Kommunen derzeit, die Stromnetze nach der Privatisierungswelle in den neunziger Jahren zurückzukaufen. In Hamburg kämpft die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ für die Rekommunalisierung, im niedersächsischen Oldenburg und im baden-württembergischen Remstal fordern Energiegenossenschaften das Netz in Bürgerhand. Die Stadt Rüsselsheim hat 2008 ihre Stromnetze zurückgekauft, in der baden-württembergischen Stadt Titisee-Neustadt hat eine Genossenschaft mitgeholfen. (…)
Das Problem: Der Netzbetreiber allein kann die Energiewende nicht einläuten. Denn jeder Kunde kann seinen Stromanbieter frei auswählen, der Betreiber muss den Strom dann durchleiten – egal ob Atomstrom oder Ökostrom. Die Preise für den Stromtransport reguliert die Bundesnetzagentur – auch hier also wenig Einfluss.“
TAZ:  http://www.taz.de/Berliner-Stromnetz-in-Buergerhand/!92319/

Vom Kampf um das eigene Stromnetz – vom Rebellen zum Ökostromanbieter

Beitrag von Ursula Sladek mit Auszügen von Bernward Janzing aus „Baden unter Strom“
ews-schoenau.de/Hebel_der_Veraenderung_.pdf

Elektrizitätswerke Schönau GmbH – 99,6 % Wasserkraft
Als einziger bundesweiter Ökostromanbieterier betreiben die Elektrizitätswerke Schönau auch Stromnetze – seit 1997 das elektrische Ortsnetz der Stadt Schönau im Schwarzwald.
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrizitätswerke_Schönau

Von Bernward Janzing, 10. April 2012
Elektrizitätswerke Schönau: Die Stromrebellen erfinden sich neu
Die Konkurrenz wächst für die Elektrizitätswerke Schönau. Jetzt kooperiert das Unternehmen mit anderen Stadtwerken und erzeugt zunehmend selbst Strom.
ews-schoenau.de/Mitwissen/Pressespiegel/.pdf 

19.04.2012: Stuttgarter Zeitung 
Der Stromrebell Michael Sladek hat im Rathaus über die Energiewende referiert: „Für die Netzübernahme von der Energie Baden-Württemberg (EnBW) oder anderen Energiekonzernen braucht man ein Pokerface“, räumte er ein. Die Kosten – in Stuttgart etwa 200 Millionen Euro für das Strom-und Gasnetz – sind nach seiner Ansicht kein Hindernis.
ews-schoenau.de/Wir_sind_der_Daimler_auf_dem_Markt_fuer_Oekostrom.pdf 

Zwei Grundversorger verlieren ihre Netze

Januar 2012 – In der baden-württembergischen Kreisstadt Ludwigsburg verlieren Ende dieses Jahres die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die RWE-Tochter Süwag ihre lokalen Verteilnetze für Strom an die Stadtwerke. Sie behalten allerdings – zumindest bis auf weiteres – ihre Stromkunden und bleiben damit Grundversorger. Es tritt somit der bisher seltene Fall ein, daß der Grundversorger nicht zugleich der Netzbetreiber ist und daß ein Netzbetreiber als Stromanbieter nur über relativ wenige Kunden verfügt. Angesichts einer Vielzahl von auslaufenden Konzessionsverträgen und den verstärkten Bemühungen um eine Rekommunalisierung der Stromversorgung könnten sich in Zukunft solche Situationen häufen. Bemerkenswert ist das Ludwigsburger Beispiel auch deshalb, weil es zeigt, wie Stromkonzerne auf den drohenden bzw. erfolgten Verlust der Netzkonzession reagieren. (…)
Die Verfügung über das Netz garantiert noch keine Vertriebskunden …
www.energie-chronik.de/120113.htm

Bundesnetzagentur warnt vor Rückkauf von Stromnetzen

dpa-AFX | 23.12.2011

Hamburg – Die in vielen Kommunen diskutierte Übernahme der Stromversorgung könnte starke finanzielle Belastungen zur Folge haben. Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, warnt davor.
Die Städte und Gemeinden würden die notwendigen Investitionen oft unterschätzten, sagte Kurth in einem Gespräch mit der „FTD“ (Freitag).
Zu Kapitalspritzen werden die klammen Haushalte aber kaum in der Lage sein, schreibt das Blatt weiter. Damit drohe der Rückkauf in staatliche Hand zu einer Bremse bei der geplanten Energiewende zu werden.

Energie-Chronik

Link-Liste zum Thema Netzübernahme: http://www.energie-chronik.de/ynetzkauf.htm

Wem gehört das deutsche Stromnetz?

Zurzeit existieren folgende vier Netzbetreiber in Deutschland; sie haben sich zum deutschen Netzregelverbund zusammengeschlossen:

  • Amprion (vormals RWE Transportnetz Strom GmbH), umfasst heute das frühere Netz der RWE und der VEW,
  • EnBW Transportnetze AG, umfasst das Netz der früheren Badenwerk AG und der EVS (Energie-Versorgung Schwaben AG),
  • TenneT TSO GmbH (vormals E.ON Netz GmbH, jetzt im Besitz der niederländischen Tennet), umfasst heute das frühere Netz von PreussenElektraund der Bayernwerk AG, und
  • 50Hertz Transmission (vormals Vattenfall Europe Transmission GmbH), umfasst heute das frühere Netz der VEAG, der BEWAG und der HEW. 50Hertz wurde im März 2010 an einen australischen Investmentfonds und Elia, den belgischen TSO, verkauft. Damit ist die Idee der Bundesregierung, die vier deutschen TSO in einen einzigen zu vereinigen, hinfällig.

Das Verteilnetz – regionale Stromversorgung

Ein Verteilnetzbetreiber …  ist ein Unternehmen, das Stromnetze im Nieder-,Mittelspannungs-Bereich und abschnittsweise auf oberen Netzebenen im Hoch- und Höchstspannungsbereich zur regionalen Stromversorgung unterhält. …
In der Strom- und Gaswirtschaft weisen Verteilnetze in der Regel einen hohen Grad an Vermaschung mit einer stark verästelten Struktur und relativ geringe Energieflüsse auf. Ihr Betrieb ist deshalb spezifisch, d.h. bezogen auf die verteilte Energiemenge, kostenintensiver als der Betrieb von Übertragungs- oder Ferngasnetzen.
Verteilnetzbetreiber gehören typischerweise zu einem lokalen bzw. kommunalen Energieversorgungsunternehmen wie z.B. einem Stadtwerk. Teilweise wurde das Verteilnetz auch von einem der großen Energiekonzerne erworben…. Da für den Betrieb eines Verteilnetzes nicht nur die Verfügungsgewalt über ein Netz, sondern auch eine Konzession zu dessen Betrieb notwendig ist, können Kommunen als Vergeber ebendieser Konzessionen bei Auslaufen bestehender Konzessionsverträge Druck auf den ehemaligen Inhaber der Konzession ausüben. Im Ergebnis kann dies zu der oben beschriebenen Rückübereignung ehemals verkaufter Netze führen.
Gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) muss der Betrieb von Verteilnetzen ab einer bestimmten Größe durch eine rechtlich eigenständige Gesellschaft erfolgen und somit von der Handels- und Erzeugungsfunktion des Energieversorgers abgespalten werden. Rechtlich besteht kein Anspruch (mehr), dass ein Verteilnetzbetreiber in einem bestimmten Gebiet ausschließlich Verteileranlagen betreibt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Stromnetz 


Viele, viele bunte Smarties: „Smart Grid“ und „Smart Market“

Januar 2012
aus der Energie-Chronik von Udo Leuschner
http://www.energie-chronik.de/120110d1.htm

Inhalt
Auf dem neuesten Stand war die Netztechnik schon immer
Schon zu Beginn der Liberalisierung wußte man, daß diese das Netz strapazieren würde
Strom ist keine Ware wie andere – und das Stromnetz das schwierigste aller „natürlichen Monopole“
„Smart Market“ – ein kunterbuntes Instrumentarium zur Lösung eines unlösbaren Konflikts
Netzausbau ist zwar dringend notwendig, wurde aber zu hoch veranschlagt
Die Kosten des „Smart Market“ trägt am Ende immer der Verbraucher
Ein Stück aus dem Tollhaus: Die schwarz-gelbe Volte beim Atomausstieg
Die Rückkehr zu den alten Verhältnissen wäre nur ein weiterer Irrweg

Schon zu Beginn der Liberalisierung wußte man, daß diese das Netz strapazieren würde

Es war von Anfang an klar, daß die Liberalisierung des Strommarktes einen vermehrten Aufwand erfordern würde, auch und gerade bei der Netzregeltechnik. Von „Smart Grids“ war zwar noch keine Rede. Sinngemäß meinte aber die „Deutsche Verbundgesellschaft“ (DVG) dasselbe, wenn sie in einer 1999 erschienenen Schrift feststellte:

„Die Öffnung der Netz für weitere Anbieter bzw. zur Durchleitung von Strom stellt die Netzbetreiber vor neue Anforderungen. Die Bezugs- und Lieferverträge werden wesentlich komplexer. Um sie richtig erfassen und verrechnen zu können, ist ein Ausbau der Daten- und Kommunikationstechnik, insbesondere eine Verstärkung der Kommunikationsschnittstellen, zwischen den unterschiedlichen Netzbetreibern erforderlich.“

Speziell zur Netztechnik hieß es da:

„In den deregulierten Systemen spielt die Netzleittechnik eine übergeordnete Rolle, da sie neben der Netzführung unter erschwerten technischen Bedingungen auch Aufgaben des Energiehandels und des Vertragsmanagements übernehmen muß. Die Netzbetreiber müssen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Netz entsprechende Maßnahmen (Blindleistungskompensation, Lastflußregelung, Messung und Verrechnung der Übergangsleistungen, leittechnische Aufgaben, Einsatz neuer Technologien an Problemstellen) bereitstellen.“

Das ist nun dreizehn Jahre her. Die DVG, die damals diese Schrift zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen herausgab (2), ist längst von der Bildfläche verschwunden (010609). Zur Frühgeschichte des liberalisierten Strommarktes gehört inzwischen auch der Verband der Netzbetreiber (VDN), in dem sie aufging (061214). Die zitierten Feststellungen sind aber nach wie vor gültig. Sie belegen vor allem, daß „Smart Grids“ nicht ein plötzlich neu auftauchender Hoffnungsschimmer am technischen Horizont sind. Sie sind vielmehr eine durch die Deregulierung der Stromwirtschaft zwangsläufig erforderlich werdende Perfektionierung der Netzsteuerung mit den vorhandenen technischen Mitteln, die aber viel Aufwand und Kosten verursacht und deshalb seit mindestens dreizehn Jahren vernachlässigt wurde. Denn die Deregulierung beseitigte mit den integrierten Energieversorgern zugleich die frühere Gesamtverantwortung für Netz, Erzeugung und Vertrieb.

Strom ist keine Ware wie andere – und das Stromnetz das schwierigste aller „natürlichen Monopole“

Und nun kommt zu allem Überfluß noch die „Energiewende“ dazu. Konkreter gesagt: Die Umstellung der Stromversorgung von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Quellen bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kernenergie. Schon dieses Vorhaben erfordert enorme Anstrengungen und eine „intelligente“ Netztechnik. Seine Verwirklichung kollidiert aber immer mehr mit den Maximen des liberalisierten Strommarktes, wonach lediglich das „natürliche Monopol“ des Netzes staatlicher Lenkung unterliegen darf, während bei Erzeugung und Vertrieb grundsätzlich der Wettbewerb regiert. Dieser Konflikt verschärft die mit der Liberalisierung verbundenen Netzprobleme noch.
Im alten System der integrierten Stromversorgung wäre die „Energiewende“ jedenfalls leichter durchzuführen gewesen.

Die Rückkehr zu den alten Verhältnissen wäre nur ein weiterer Irrweg

In ihrem Eckpunktepapier vermeidet es die Bundesnetzagentur selbstverständlich, die Liberalisierung des Strommarktes als Hauptursache der heutigen Probleme zu benennen. Sie ist schließlich eine Behörde und hat die Vorgaben der herrschenden Politik zu respektieren. Außerdem kann man von ihr kaum erwarten, am eigenen Ast zu sägen, denn sie verdankt der „Liberalisierung“ überhaupt erst ihre Existenz. Immerhin erwähnt sie in ihrem Papier beiläufig, daß „im Zuge der Betrachtungen zu Smart Grids vermehrt die Frage aufgeworfen wird, ob nicht gerade die Liberalisierung und das Unbundling von Netz und Markt problematisch vor dem Hintergrund der Integration Erneuerbarer Energie sind“. Sie wäre aber keine dem Bundeswirtschaftsministerium unterstehende Behörde, wenn sie nicht sofort die Kurve kriegen und versichern würde, sie sei „davon überzeugt, daß der Weg der Liberalisierung und der Regulierung des Monopolbereiches ‚Netz‘ richtig war und konsequent fortgesetzt werden muß“.

Das klingt recht forsch. Oder auch wie das Pfeifen im Walde von einem, der sich selber Mut machen will. Richtig daran ist allenfalls, daß sich die vor rund zwei Jahrzehnten eingeleitete Zerschlagung der integrierten Stromversorgung, die vor allem von der EU-Kommission betrieben und durchgesetzt wurde, nicht einfach rückgängig machen läßt. Auch wenn es ein Irrweg war: Was bleibt schon anderes übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten? Eine Rückgängigmachung wäre mindestens so mühsam wie der bisherige Prozeß der Liberalisierung, in dem es auch vierzehn Jahre nach Aufhebung der geschützten Versorgungsgebiete weiterhin mächtig knirscht und der sogar um so mehr Probleme aufzuwerfen scheint, je mehr die alten Strukturen verschwinden. Eine schlichte Rückkehr zu den alten Verhältnissen wäre nur ein weiterer Irrweg. Es geht eher darum, aus der verfahrenen Situation das beste zu machen: Die aufgebrochenen alten Strukturen müssen zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden, bis tatsächlich das in Paragraph 1 des Energiewirtschaftsgesetzes formulierte Ziel erreicht wird: „Eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.“
Es gibt bereits Ansätze, die in diese Richtung weisen, ohne deshalb in die Vergangenheit zurückzuführen. Hier wäre etwa der Trend zur Rekommunalisierung der Stromversorgung zu nennen. Oder die allmähliche Ersetzung der hierarchischen Netzstruktur durch dezentrale Stromerzeugung. Beides verträgt sich zwar nicht unbedingt mit den Interessen der Energiekonzerne, aber bestens mit der zitierten Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes.

Januar 2012 aus der Energie-Chronik von Udo Leuschner
http://www.energie-chronik.de/120110d1.htm

Das Netz gehörte zum Stromversorger wie die Schienen zur Eisenbahn

„Kurzschluss – Wie unsere Stromversorgung schlechter und teurer wurde“

Von Udo Leuschner
Buch-Info und download:
http://www.udo-leuschner.de/kurzschluss/buch-info.htm