Ja, so langsam dämmert´s den glühenden Geothermie-Förderern (wenn auch leider nicht allen):
Die Geothermie hat ein Imageproblem.
Es ist ja auch lästig: Wo man bohrt und gräbt formieren sich Bürgerinitiativen und ähnliche Rebellen, beschweren sich Anwohner über den Lärm, ziehen sogar vor Gericht und wenn noch dazu die Erde bebt, dann ist es höchste Zeit, die Bevölkerung mal so richtig aufzuklären.
Ein Glanzlicht diesbezüglich hat neulich Ingo Sass, Professor für angewandte Geothermie an der TU Darmstadt, bei einer Infoveranstaltung in Trebur abgeliefert:
„Risiko sei dabei natürlich immer vorhanden, gab Sass zu. Rein wissenschaftlich betrachtet sei dieses bei der Geothermie – trotz Staufen und Basel – jedoch gering. Risiko bedeute ,,Eintrittshäufigkeit mal Schadensausmaß“ – und beides könne optimiert werden, sei es durch Qualitätssicherung oder bessere Konstruktionen.“
„Das Problem in *Staufen sei gewesen, dass dort 20000 Fälle ohne Beweissicherung von Versicherungen beglichen worden seien – obwohl nie klar gewesen sei, dass wirklich die Arbeiten in der Tiefe verantwortlich für die Schäden an den Häusern gewesen seien. Dies habe dazu geführt, dass jeder denke, dass Geothermie verantwortlich für die Schäden gewesen sei.“ erklärte Prof. Sass in Trebur.
echo-online/Viele-Fragen-blieben-offen
So,so, rein wissenschaftlich also… na dann wollen wir da mal ein Auge drauf werfen.
,,Eintrittshäufigkeit mal Schadensausmaß“
Diese Formel ist auch den Versicherungen durchaus geläufig, schließlich stellen diese ja danach ihre Beitragsberechnungen an.
…Im Versicherungswesen multipliziert man für dessen Ermittlung die Schadenhäufigkeit mit der durchschnittlichen Schadenhöhe. Diese Angaben bezieht der Versicherer aus Statistiken, die mittels der Beobachtung einer großen Anzahl von Personen über einen langen Zeitraum und die Auswertung der tatsächlich eingetretenen Schadensfälle erstellt wurden. Nach den so angewandten Gesetzmäßigkeiten lässt sich der Zufallsfaktor präzise genug einschätzen, um sowohl Prognosen für die Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses als auch über dessen zu erwartenden Kostenumfang zu erstellen.
monetos.de/versicherung/berechnung-der-beitragshoehe
Aber Sie haben es bemerkt, da steckt der Teufel im Detail:
Statistiken, die mittels der Beobachtung einer großen Anzahl von Personen (in unserem Fall: Geothermiekraftwerke) über einen langen Zeitraum und die Auswertung der tatsächlich eingetretenen Schadensfälle
Ja, die Geothermie blickt in Deutschland auf eine „bewegte“ Geschichte zurück – diese ist allerdings nicht sehr lang und üppig.
Geothermiekraftwerke, die nennenswert Strom erzeugen können, gibt es in Deutschland gerade einmal zwei.
Ob sich daraus belastbare Statistiken erstellen lassen, bezweifele ich jetzt einfach einmal. Schließlich sei ja, so der Chor der Geothermiker, kein Standort mit den anderen vergleichbar – erst recht nicht der, an dem gerade gebaut wird mit dem, bei dem es gerade gebebt hat.
Wie man das dann drehen und wenden kann, sehen wir später.
Erstmal weiter mit Herrn Sass:
Risiken für durch die Bohrungen ausgelöste Erdbeben seien hier sehr, sehr gering, ließen sich aber nie ganz ausschließen.
www.main-spitze.de/region/trebu
Das erinnert mich doch an Bürgermeister Josef Steigenbergers „überschaubare Grenzen“ (in Bezug auf den zu erwartenden Schwerlastverkehr im Landschaftsschutzgebiet).
Für einen Wissenschaftler muss ich Herrn Sass, wie auch den meisten, die das Risiko immer wieder schön reden, doch eine akute Zahlenphobie bescheinigen. Ich nehme mal an, dass es ja auch schwer ist, so ein Risiko auszurechnen und zu benennen, gerade aufgrund fehlender Daten.
Aber dann sollte man auch so ehrlich sein und das so sagen, anstatt die Bevölkerung mit schwammigen Formulierungen in Sicherheit zu wiegen.
Aber kommen wir zum Schadensausmaß.
Nachdem die Zusammenhänge zwischen Geothermieprojekten und Erdbeben nicht mehr so einfach zu leugnen sind, bricht sich seitens der Geothermielobby eine neue Deutungsart die Bahn: Ja, es kann zwar beben, aber es ist nicht erwiesen, dass die Gebäudeschäden in den betroffenen Gebieten auch von den Beben rühren.
Nun gut, rein wissenschaftlich, erwiesen ist es nicht, wie auch? Zu unterschiedlich sind Bausubstanz und Bodenbeschaffenheit, viele Parameter kommen ins Spiel und und und…
Aber wenn die Erde bebt, wie z.B. in Landau mit Magnitude 3.5 und ein bisher unbeschadetes Haus danach Risse hat, dann liegt ein gewisser Schluß nahe.
Muss nicht sein, denkt sich wohl Herr Sass, die Versicherungen wollten nur ihr Geld loswerden um der Geothermie mal so richtig das Image zu versauen. Daraus wiederum lässt sich, rein wissenschaftlich, ableiten, dass es gar keine Schäden gab!
Wie versprochen stelle ich jetzt mal die verschiedenen Sichtweisen gegenüber:
Ich sage: Wenn ich im Falle Bernried die in Deutschland einzig in etwa vergleichbaren GKWs (nämlich nur Landau und Unterhaching) nehme, komme ich auf die Eintrittshäufigkeit 100%, weil es bei beiden gebebt hat. In Landau waren Schadenbeben mit dabei, also Schadenswahrscheinlichkeit 50%. Ein Schadensausmaß ist schwer einzuschätzen. Was kann das schon kosten? Sagen wir Schäden an 50 Häusern à 50.000 € = 2.5 Mio €
Meine Rechnung: Zu 50% entsteht ein Schaden von 2.5 Mio €
Wenn ich, wie einige Geothermiefachmänner, jede kleine Oberflächen-Erdwärmeanlage in Deutschlands Gärten mit dazu nehme, sehen die Zahlen schon viel rosiger aus. Die Schadenswahrscheinlichkeit sinkt bei 200.000 Geothermieanlagen (ob tiefe Geothermie oder Erdwärme spielt bei den Herren anscheinend eine eher untergeordnete Rolle) auf, sagen wir 0,005%. Nachdem es ja nach Lesart von Herrn Sass keine Schäden gab, nehmen wir eine Schadenwahrscheinlichkeit von 0%, also Schadensausmaß 0 €
Deren Rechnung: Zu 0,005% entsteht ein Schaden von 0 €
Wenn die Wahrheit, wie ja sooft, irgendwo in der Mitte liegt, ist das Risiko aber meiner Meinung nach immer noch zu hoch. Schließlich steht bei uns ja mehr auf dem Spiel – Landschaftsschutzgebiet, Wasserschutz, Regenmoor etc.
Naja, auch Demagogie will gelernt sein, aber man soll ja von den Hydrogeologen ja auch nicht zu viel erwarten. Schliesslich haben sie ja noch viel zu lernen, was Qualitätssicherung und bessere Konstruktionen angeht. Aber bitte: Tut das doch nicht im Landschaftsschutzgebiet!
Aber ein Ass hat Herr Sass noch im Ärmel:
Hohe Anfangsinvestitionen seien Kennzeichen der Geothermie, das gibt auch Wissenschaftler Sass zu. Dann aber laufe die Sache mit recht geringen Kosten weiter – und zwar an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag. Das könnten Fotovoltaik (,,Fragen Sie sich doch mal, warum Sie als Steuerzahler diese Art der Energiegewinnung derart bezuschussen. Sie ist es nicht wert!“) oder Windkraft nicht bieten.
echo-online/Viele-Fragen-blieben-offen
Na na na, Herr Sass, wir werden doch nicht unterschlagen wollen, dass die Geothermie durch das EEG ganz ordentlich gehätschelt wird, dass die Geothermie nur bedingt grundlastfähig ist und nach 20-30 Jahren da unten Schicht im Schacht ist.
Oder meinte er, dass die Fotovoltaik und Windkraft nicht diese hohen Anfangsinvstitionen zu bieten haben?
Follow the money – vielleicht sollten wir mal nachforschen, was Herrn Sass so einen unverantwortlichen Schwachsinn verzapfen lässt. Gut, der Herr ist Professor, aber wenn der nicht noch in irgendeinem Geothermieprojekt oder einem gutgehenden Planungsbüro für geothermische Projekte drinsteckt, sollte mich das sehr wundern. Kennen wir doch – Stichwort Briefkasten….
Johannes Peszko-Hogl
*Staufen (in Staufen handelt es sich um Oberflächengeothermie)
265 Gebäude in der historischen und unter Denkmalschutz stehenden Altstadt zeigen mehr oder weniger große Schäden. Bürgermeister Michael Benitz betonte am Wochenende, die Stadt habe fast drei Jahre lang auf juristische Mittel verzichtet. Doch jetzt gehe es darum, die Schuldigen zu finden. Schließlich seien bisher schon Schäden und Kosten von 40 bis 50 Millionen Euro entstanden.