Stefan Kopf, Uni Koblenz-Landau,
im Gespräch mit Werner Müller, Landau
Interview mit dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative Landau am 22. Juli 2011 in der Werner-Heisenbergstraße 13, Landau in der Pfalz.
Stefan Kopf:
Zuerst einmal vielen Dank, dass ich mit Ihnen ein Interview über die Geothermie in Landau führen darf. Im August und September 2009 kam es zu zwei Erdbeben in Landau, die nach Ihrer Aussage zu Schäden an Ihrem Haus geführt haben und die die Einstellung der Menschen zur Geothermie grundlegend änderte. Wie war Ihre Haltung zur Geothermie vor diesen Erdbeben?
Werner Müller:
Ich habe die Geothermie ebenfalls begrüßt, bis die signifikanten Erdbeben im August und September – seit Inbetriebnahme 2008 sind es inzwischen 23 Erdbeben – mit dem Geothermiekraftwerk in Verbindung gebracht wurden. Ich konnte zwar immer wieder, auch vor den Erdbeben, Erschütterungen feststellen und teilweise kam es, wie ich im August selbst miterlebte, auch zu lauten Knallgeräuschen. Ich und auch andere dachten immer, dass dies mit einem nahe gelegenem Steinbruch zusammenhängt. Mit der Geothermie hatte ich diese Ereignisse zunächst nicht in Verbindung gebracht. Der Betreiber geo x GmbH versuchte bis zur Veröffentlichung des Expertenberichtes am 8.12.2010 jegliche Verantwortung von sich zu weisen. Mein Nachbar hatte sich bereits vor dem signifikanten Erdbeben im August 2009 am 20. Mai 2009 schriftlich an das Landesbergamt gewendet und von Erschütterungen berichtet. Aber ein Zusammenhang mit dem Kraftwerk sahen wir noch nicht.
Hätte ich bei den Genehmigungsverfahren bereits gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich bestimmt versucht das Kraftwerk zu verhindern.
Stefan Kopf:
Sie haben die Erdbeben in Landau angesprochen. Dieses hatte auch Folgen für Sie selbst. Wie waren Ihre ersten Reaktionen auf die Beben?
Werner Müller:
Nach den Beben habe ich an diesem Haus hier Risse im Putz festgestellt, im 2.OG in drei Ebenen umlaufend und in den unteren Stockwerken geringer ausgebildet. Diese Risse sind auf beiden Seiten der Mauern zu sehen, gehen also stellenweise durch das komplette Mauerwerk. Die Innenwände sind teilweise durchgerissen, es handelt sich um Torsionsrisse.
Ich habe die Schäden an geo x gemeldet und vom damaligen Geschäftsführer Hauffe die Information bekommen, dass die Schäden sehr ernst genommen werden. Im Oktober rief ein Sachverständiger bei mir an, mit dem Hinweis, dass er von geo x mit der Schadensbegutachtung beauftragt wurde. Ich konnte durch Recherchen feststellen, dass er Sachverständiger für unbebautes landwirtschaftliches Gelände und nicht für Bauschäden war.
Dem Hinweis von geo x, dass dieser Sachverständige von der Architektenkammer vorgeschlagen wurde, bin ich nachgegangen und die Architektenkammer bestätigte schriftlich, keine Empfehlung in dieser Richtung ausgesprochen zu haben. Diesen „Sachverständigen“ lehnte ich ab.
Danach kamen drei Gutachter der Versicherung von geo x, einer davon war ein externer Sachverständiger für Rissbildungen. Dieser sagte uns im anschließenden Gespräch, dass die Risse eindeutig durch Erdbeben verursacht wurden, und er vom Schadensbild überrascht sei und so etwas noch nie gesehen hätte. Das Versicherungsgutachten habe ich dann versucht zu erhalten, was mir bis zur Verkündung der Ergebnisse des Expertenberichts im Dezember 2010 nicht gelungen ist. Bei dieser Versammlung am 8. Dezember 2010 im Alten Kaufhaus wurde dem Bericht der Expertenkommission die Gutachten der einzelnen Häuserschäden beigefügt, ohne dass sie ein Betroffener davor jemals gesehen oder erhalten hat.
Auf unseren dortigen Protest hat Staatssekretär Schweitzer vom Landeswirtschaftsministerium geo x aufgefordert, die Gutachten zu veröffentlichen. Zuerst wurden wir vertröstet und sollten uns die Einsicht in die Gutachten per Gerichtsverfahren erstreiten. Zehn Minuten später wurde aber bereits eingelenkt und zugesichert, dass die Gutachten weitergegeben werden. Weitere zehn Minuten später las Pfalzwerke-Vorstand Hitschler das Gutachten zu meinem Haus vor, ohne dass ich dieses vorher gesehen habe und mich entsprechend vorbereiten konnte. Ich musste bei der späteren Durchsicht des Gutachtens feststellen, dass das Versicherungsgutachten in eine komplett andere Richtung ging als die Aussagen mir gegenüber. Der externe Sachverständige blieb aber nach Rücksprache bei der Aussage, die er mir damals gegeben hatte. Ein sogenanntes Versicherungs-Gutachten entpuppte sich als Begehungsprotokoll.
Auch der Bericht des – von der Versicherung geschickten – Statikers war dem Expertenkommissionsbericht beigefügt. Dieses stellte erhebliche Baumängel und statische Mängel an meinem Gebäude fest. Die vorhandenen Pläne ließ ich ihn nicht kopieren oder abfotografieren, sondern nur einsehen, weil ich die Versicherungs- Gutachten nicht einsehen durfte. Aber es wundert mich schon sehr, dass der Statiker diese angeblichen Mängel beschreibt, wo doch im Genehmigungsprozess des Hauses die Statik geprüft wurde und keine Beanstandungen vorlagen. Bauexperten bewerteten die Ausführungen des nicht unabhängigen Versicherungs-Statikers im Wesentlichen als haltlos und äußerten Zweifel an der Kompetenz.
Da diese Gutachten so einseitig ausfielen, beauftragte die BI Landau für die Gebäude Werner-Heisenberg-Str. Nr. 5 und 13 zwei Gutachter zur wissenschaftlichen Untersuchung. Herr Prof. Dr.-Ing Knödel und Herr Dr. Kiefer wiesen mit den Berechnungen und Untersuchungen nach, dass die Schäden von Erdbeben verursacht wurden. Die Ergebnisse wurden Anfang 2011, zwei Mal öffentlich in Veranstaltungen der BI Geothermie Landau, vorgestellt. Leider wurde in den Berichten der Rheinpfalz, der externe Sachverstand so nicht widergegeben und die Personen nicht als kompetente Sachverständige, die fundierte Gutachten erarbeiteten, ausgewiesen.
Stefan Kopf:
Sie haben jetzt eingehend Ihren persönlichen Fall geschildert und er stellt ihre Motivation deutlich heraus. Sie sind nicht untätig geblieben und haben sich mit anderen zusammengeschlossen.
Werner Müller
Ja das stimmt. Wir haben uns im Frühjahr 2010 als Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um uns gemeinsam für unsere Belange einzusetzen. Im September 2010 haben wir dann neben dem Bundesverband gegen Tiefe Geothermie e.V. auch die Bürgerinitiative Geothermie Landau e.V. gegründet, um als eingetragener gemeinnütziger Verein agieren zu können. Im Bundesverband haben wir mittlerweile Kontakt zu Projekten in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und mittlerweile auch in Hessen. Wir wollen mit dem Bundesverband vor allem eines: unterstützen und aufklären. Einerseits gilt es die Menschen vor Ort über die Gefahren und Risiken der Geothermie aufzuklären, andererseits sie in ihren Bemühungen durch Erfahrungen an anderen Projekten zu unterstützen. Durch die Internetseite www.alternative-energiequellen.info haben wir das Glück ein sehr gut funktionierendes Medienorgan zu haben, das momentan 500 Aufrufe am Tag verzeichnet, an Spitzentagen sogar 1200.
Stefan Kopf:
Laut Tageszeitung Die Rheinpfalz war das Zustandekommen des Bundesverbandes sehr mysteriös.
Werner Müller:
Sie meinen den Artikel mit den konspirativen Zirkeln. Ja da habe ich mich sehr geärgert. Wir hatten uns zuerst informell getroffen, um uns gegenseitig kennenzulernen und wollten vorerst auch keinen Verein gründen, da dies zusätzlichen Aufwand bedeutet. Als die Rheinpfalz aber diese Artikel veröffentlicht hat und negativ berichtete, mussten wir handeln und haben den Bundesverband gegründet.
Stefan Kopf:
Wie sehen Sie die Geothermie im Allgemeinen?
Werner Müller:
Die Tiefe Geothermie ist keine gute Sache. Bei 90 Prozent Abwärme durch Kühlung, bleiben nur 10 Prozent zur Stromgewinnung. Im Sommer kann zudem das Kraftwerk nur mit halber Leistung betrieben werden, da die Kühlung des Isopentans sonst nicht gewährleistet wäre. Die 10 Prozent, die zur Stromgewinnung genutzt werden können, werden vom EEG vergütet, tatsächlich steht aber nur eine Nettoleistung von 5-7 Prozent, da der Eigenbedarf noch weggerechnet werden muss. Dieser Eigenbedarf wird durch billigen konventionellen Strom gedeckt, da die Einspeisung von Strom ins Netz komplett vergütet wird. Dadurch ist die Gewinnspanne größer.
Des Weiteren ist die Geothermie nicht regenerativ, da sich die Thermalsohle relativ schnell abkühlen und dann nicht mehr genutzt werden kann.
Stefan Kopf:
Wie sehen Sie die Geothermie in Landau?
Werner Müller:
Am besten fährt man mal wieder 100 Prozent Leistung. Dann wird sich zeigen, ob sich die Beben von August und September wiederholen. Die letzten Beben belegen ja, dass die Geothermie nicht beherrschbar ist. Außer Landau produziert kein anderes Kraftwerk nennenswert Strom, und auch in Landau wird dies, möglicherweise nur zu 50 Prozent getan. Das Projekt in Neustadt-Glewe wird nur noch am Leben gehalten, damit nichts passiert und in Unterhaching bereitete schon mehrfach die Förder-Pumpe große Probleme. Zudem ist dort der Eigenstrombedarf sehr hoch. Nach unseren Informationen soll die Stromproduktion weitgehend zurückgefahren worden sein und nur noch Wärme produziert werden.
Was mich ärgert ist, dass noch immer nicht geklärt ist, welche Bestandteile der Thermalwasserdampf enthält. Bereits im November 2010 wurde uns in Haßloch gesagt, dass die Probleme mit dem Dampf größer sind, als gedacht. Dass bis heute keine Erkenntnisse vorliegen, macht mich stutzig.
Die Geothermie-Befürworter führen als Referenzen für ihre Kraftwerke oft Projekte in Island oder Italien an. Die sind aber nicht mit den hiesigen Verhältnissen vergleichbar. In den USA und Neuseeland laufen die Projekte nur reibungslos, weil in einem Umkreis von 50 Kilometer keine Wohnbebauung ist. Dadurch spürt niemand eventuelle Beben. Sie sehen, dass die Informationen der Befürworter sehr einseitig sind und die angesprochenen Referenzen als solche nicht dienen. Je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftige, desto größer wird meine Ablehnung, und desto mehr erkennt man die irreführende Information durch die Befürworter.
Was viele Menschen in Landau und auch an anderen Standorten bewegt, ist der große wirtschaftliche Schaden, der durch die Geothermie möglicherweise entsteht. In Landau-Queichheim erhöhten viele Versicherungen die Prämien ohne nähere Begründung. Schauen Sie sich die Schäden an diesem Haus an. Glauben Sie, dass irgendjemand dieses Gebäude kauft? Ich habe also einen hohen Wertverlust an meiner Immobilie und dafür möchte ich Schadensersatz.
Auch im Zuge der Landesgartenschau gibt es einige Ungereimtheiten. Der Gutachter, der für den notwendigen Bebauungsplan des Konversionsgeländes eine Beurteilung der Situation im nahegelegenen Geothermiekraftwerk erstellte, ist der Vorsitzende der geothermischen Vereinigung und damit ein starker Befürworter dieser Technologie. Dieses Gutachten ist deshalb wohl kaum unabhängig. So sagt es aus, dass es nie Beben mit relevanten Schäden gab und auch keine geben wird. Ich habe aus diesem Grund bereits Einwände gegen den Bebauungsplan erhoben. Am Schluss könnte nämlich der Stadt eine hohe Schadensersatzverpflichtung entstehen. Zudem stimmt mich nachdenklich, dass trotz der Ablehnung einer Südtangente, die hohen Lärmschutzmaßnahmen für das Wohngebiet erhalten blieben. Ich frage mich warum?
Stefan Kopf:
Im Januar 2011 wurde eine Mediation gestartet, an der die BI Landau nicht teilnimmt. Erklären Sie mir die Gründe?
Werner Müller:
Die BI Steinweiler und Landau nehmen an der Mediation nicht teil.
Die Voraussetzungen für eine Mediation waren und sind für uns nach wie vor nicht gegeben. Der Mediator ist nicht unabhängig, es gibt kein Moratorium und die Initiativen haben keine finanziellen Mittel für unabhängige und allseits anerkannte Experten erhalten.
Dieser Veranstaltung fehlen die Voraussetzungen einer zielführenden Mediation.
Kein Thema wurde bisher umfassend und erschöpfend behandelt. Sogenannte Experten der Geothermie-Lobby wurden eingeschleust. Dies ist eine Veranstaltung der Geothermie-Lobby. Tragisch ist, dass man die mit den Themen offensichtlich überforderten Teilnehmer bzw. Bürgerinitiativen als Alibi für eine laufende Mediation missbraucht und mit Ihnen Vereinbarungen über die Realisierung von zukünftigen Geothermie-Kraftwerken vereinbaren möchte.
Teilweise bestehen die Bürgerinitiativen aus wenigen Personen, ohne Legitimation durch die Bevölkerung. Einige Gruppen schaffen noch nicht einmal die Gründung eines eingetragenen Vereins.
Stefan Kopf:
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie sieht sie für das Kraftwerk in Landau aus?
Werner Müller:
Die Zukunft ist absolut ungewiss. Die Vergangenheit zeigt, dass auch bei reduzierter Leistung Erdbeben nicht zu verhindern sind. Natürliche Erdbeben hat es seit 800 nach Christi in Landau nicht gegeben. Wir direkt Betroffene und auch die Landauer Bevölkerung wird sich mit induzierten Erdbeben und mit den zusätzlichen Gefahren und Risiken eines Geothermie-Kraftwerkes nicht abfinden.
Stefan Kopf:
Herr Müller, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben.
Nach dem Interview zeigte Werner Müller bei einem Rundgang die Schäden an seinem Gebäude.