OHA – Zeitung aus dem Pfaffenwinkel
Südbayern ist »Goldgräberland«
Auf der Suche nach dem Knackpunkt bei der Geothermie
11. Juli 2011
von Alfred Honisch
Weilheim – Stadtrat (Wiederwahl), Fraktionsvorsitzender Grüne-UWV, Mitglied im Bauausschuss
Auszug
(…) Hat man als Investor einmal das Claimrecht, dann gewährt einem das Bayerische Bergrecht relativ freie Hand. Denn der Aufsuchungserlaubnis folgt in aller Regel die Bewilligung, ist doch diese Form der erneuerbaren Energie eine Aufgabe von nationalem Rang, mit erklecklichen Förderanreizen pro Kilowattstunde Strom aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Die einzelnen Posten dazu lesen sich wie die Erfolgsmeldungen glorreich abgeschlossener Lobbytätigkeit. (…)
Stichwort Transparenz und die Frage, ob Bürgerinitiativen die Energiewende behindern
Die Weilheimer Bürgerinitiative »Verein zum Erhalt des Oberlandes« (kurz: BifO) ist mittlerweile die achte Initiative deutschlandweit, so das Internetportal „BV-BI-TG“ (Bundesverband Bürgerinitiativen Tiefe Geothermie).
Der Hauptanlass zur Gründung dieser BI war ursprünglich sicherlich die Angst vor sogenannter Seismizität (vulgo »Erdbeben«), in Anlehnung an die bereits »geleistete« Vorarbeit durch die BI »Höllenschlund« (red.: BIF UNAE), im benachbarten Bernrieder Claim.
Kein Wunder auch! Denn sogar der Bundesverband Geothermie (GtV) gesteht in seinem Positionspapier vom Juli 2010 auf Seite 8 ff. ein:
„Dennoch hat die Geothermie durch die in Einzelfällen verspürte Seismizität ein erhebliches Akzeptanzproblem. Die natürliche Furcht vor ‘Erdbeben’ ist tief verankert, sie gelten als (und sind) unvorhersagbar und unbeherrschbar.“ Beim Weilheimer Geothermie-Vorhaben wurde zwischenzeitlich in mehreren öffentlich abgehaltenen Informationsveranstaltungen für beide Seiten klar, dass man es vor Ort bei dem sog. »Südbayerischen Malm« mit einer völlig andersartigen Formationen zu tun hat wie dem Oberen Rheingraben in Landau.
Bemerkenswert wird das Ansinnen der Bürgerinitiative jedoch wegen einer anderen Entwicklung!
Der oft propagierte sogenannte »mündige Bürger« – als das zentrale Element bürgernaher Kommunalpolitik – besticht im Zusammenhang mit seinem Betroffensein von Planungen vor der eigenen Haustüre über ein Expertenwissen, das den gewählten Mandatsträgern als auch der Verwaltung in den Gemeinde- und Stadtgremien den Schweiß auf die Stirn treibt.
Zugegeben, ohne Unterstützung durch geeignete Fachanwälte geht auch bei Bürgerinitiativen gar nichts! Beispielsweise riet in Rheinland-Pfalz eine Kanzlei gegen ein Geothermie-Projekt verfahrensrechtlich zu einem „Vereinfachten Raumordnungsverfahren mit integriertem Zielabweichungsverfahren“ (vgl. Gmd. Hassloch NR, Online-Zeitung für die Region, 19. August 2010)!
Ein Winkelzug, der seinem Inhalt nach nur wenigen Gemeinderäten bekannt sein dürfte.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Versprechen nach umgehender Transparenz kommunalpolitischen Handelns vor Ort am Beispiel der Tiefengeothermie an seine Grenzen stößt und Bürgerinnen und Bürger eigeninitiativ werden lässt.
Dies öffentlichkeitswirksam aufgedeckt und begründet dargestellt zu haben ist sicherlich ein Verdienst der Bürgerinitiative.
Die Erkenntnis für Geothermie-Projekte von solcher Tragweite muss sein:
1. Die Forderung nach dringender Modernisierung eines de facto unumstößlichen Bergrechts wegen der Schutzgüter Mensch und Umwelt!
2. Auf gemeindlicher Seite eine Öffentlichkeitsbeteiligung, die nicht erst bei der Behandlung fertig ausgearbeiteter Bauanträge in den Entscheidergremien beginnt. Professionelle Bürgerbeteiligung startet viel früher, nämlich mit der erstmaligen Kenntnis von Claimrechten in »fremder« Hand.
3. Das Mittel eines Ratsbegehrens aus der Erkenntnis heraus, dass nach einer breiten Informationskampagne von Befürwortern und Gegnern die Entscheidungsverantwortung ohne Kompetenzverlusten an die Bürger delegiert werden kann, als Demokratie-Gewinn!
Weilheims Stadträte waren stets einstimmig für das Geothermie-Projekt der »Erdwärme Oberland GmbH, München«. Dennoch haben sie sich eine Denkpause von einem Monat ausbedungen. Nicht zuletzt ein Erfolg der Bürgerinitiative!
Alfred Honisch
Stadtrat (Wiederwahl), Fraktionsvorsitzender Grüne-UWV, Mitglied im Bauausschuss
Die Bürgerinitiativen BIf UNAE und BIfO arbeiten seit Mai 2011 operativ in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe. Fachwissen, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit können somit effektiv geteilt werden. Beide Bürgerinitiativen sind für (Ober-)Bayern auch im Bundesverband vertreten.