Gewerbesteuerliche Klassifizierung
von Geothermieanlagen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Steigenberger,
in der o.g. Sache schließe ich namens der von mir vertretenen Bürgerinitiative Schutz Westufer Starnberger See e.V. an mein Schreiben vom 28.04.2010 an und teile folgendes mit:
1. In der Diskussion um die Ansiedlung von Geothermie-Kraftwerken spielt in wirtschaftlicher Hinsicht immer wieder das Argument eine Rolle, für die Ansiedlung derartiger Kraftwerke spreche auch die Gewerbesteuer eine Rolle, die den Gemeinden aufgrund der Ansiedlung des Betriebs derartiger Kraftwerke zugute komme. Ich bin auftrags meiner Mandantschaft dem gewerbesteuerlichen Aspekt bei der Ansiedlung von Geothermie-Kraftwerken nachgegangen.
2. In der Anlage übersende ich ein von unserer Kanzlei erstelltes Kurzgutachten zur gewerbesteuerlichen Klassifizierung von Geothermie-Anlagen zur Kenntnis. Ich verweise bei diesem Kurzgutachten insbesondere auf Ziffer 3 und den dort behandelten Aspekt des Steueranfalls bei einer Sitzverlegung der Betreibergesellschaft.
Der derzeitige Sitz der BE Geothermal GmbH in Bernried, Dorfstr. 16, ist ja eine reine Briefkastenadresse.Die Verwaltung der Gesellschaft befindet sich bereits jetzt in 80807 München, Leopoldstr. 244. Demzufolge dürfte – sollte das Kraftwerk errichtet werden und in Betrieb gehen, auch mit einer Sitzverlegung der Gesellschaft nach München zu rechnen sein. Was hieraus für die Gemeinde Bernried folgt, ergibt sich aus § 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG mit der dort festgelegten Zerlegung.
3. Meine Mandantschaft hält es für wichtig, dass der Gemeinde Bernried als Mitinitiatorin des o.g. Kraftwerks diese gewerbesteuerlichen Zusammenhänge bewusst sind. Es kann der Fall eintreten, dass das Kraftwerk mit all seinen bedenklichen und lästigen Emissionen in einem herrlichen zur Gemeinde Bernried gehörigen Landschaftsschutzgebiet angesiedelt wird, die von der betreibenden Gesellschaft zu zahlende Gewerbesteuer der Gemeinde im Falle einer Sitzverlegung aber zumindest teilweise nicht zugute kommt. Und nach unserer Kenntnis gibt es keine vertragliche Vereinbarung, der zufolge sich die Betreiberin gegenüber der Gemeinde Bernried verpflichtet hätte, ihren Sitz für die Dauer des Betriebs des Kraftwerks nicht an einen anderen Ort als Bernried zu verlegen – ganz unabhängig davon, dass gegen eine solche unbefristete Vereinbarung wohl auch rechtliche Bedenken bestehen würden.
Ich darf Sie bitten, dieses Schreiben und das anliegende Kurzgutachten bei Ihren weiteren Maßnahmen und Überlegungen betreffend das geplante GeothermieKraftwerk zu berücksichtigen und auch den Mitgliedern Ihres Gemeinderats zur Kenntnis zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Fingerhut
Rechtsanwalt
Kurzgutachten
zur gewerbesteuerlichen Klassifizierung von Geothermieanlagen
1. Parameter für die gewerbesteuerliche Einordnung
Fraglich ist, ob Geothermieanlagen der Gewerbesteuer unterliegen.
Grundsätzlich sind Geothermieanlagen Steuergegenstand im Sinne des § 2 GewStG. Hierbei ist zu unterscheiden, in welcher Rechtsform sie betrieben werden, Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewebebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird. Gemäß § 2 Abs, 1 Satz 2 GewStG ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Somit unterliegen Geothermieanlagen, die in der Rechtsform eines Einzelunternehmens oder einer Kommanditgesellschaft betrieben werden der Gewerbesteuer. Für die Geltendmachung von anfallenden Anlaufverlusten ist darauf abzustellen, ab welchem Zeitpunkt die Anlage tatsächlich in Betrieb geht und bis wann noch Vorbereitungshandlungen getätigt wurden. Grundsätzlich sind Vorbereitungshandlungen, die Verluste auslösen, nicht gewerbesteuerlich abzugsfähig.
Sofern die Anlage als Kapitalgesellschaft betrieben wird, gilt deren Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, Somit ist sie gemäß § 2 Abs, 2 Satz 1 GewStG Gewerbesteuergegenstand. Eindeutig ist, dass anfallende Anlaufverluste ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geltend gemacht werden können.
2. Hinzurechnung
Gemäß § 8 Nr. 1 Bst. a werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb 25 % der Summe aus Entgelte für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Gewinnermittlung abgesetzt worden sind. Die Vorschrift dient, wie die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG insgesamt, der Ermittlung des objektiven von den Beziehungen des Inhabers zum Betrieb losgelösten Gewerbeertrages. Nach herrschender Meinung ist sie auch dann anzuwenden, wenn das Unternehmen nur Verluste erwirtschaftet. Es müssen sämtliche anfallenden Zinsaufwendungen, Renten, dauernde Lasten und Gewinnanteile stiller Gesellschaften in Höhe von 25 % auf die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage hinzugerechnet werden. Ebenfalls mit 25 % hinzuzurechnen sind die folgenden pauschalierten Finanzierungsanteile: Lizenzen und Konzessionen mit einem Finanzierungsanteil von 25 %, Mieten, Pachten und Leasingraten bei beweglichem Anlagevermögen mit einem Finanzierungsanteil von 20 %, bei unbeweglichem Vermögen mit einem Finanzierungsanteil von 65 %. Skonti, Boni und Rabatte im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sind von der Hinzurechnung ausgenommen. Weiterhin gilt ein Freibetrag von 100.000,00 € bezogen auf die Summe der Zinsanteile.
3. Steueranfall bei Sitzverlegung
Für den Fall, dass die Geothermieanlage an ein Unternehmen veräußert wird, dessen Sitz an einem anderen Ort als der betreibenden Gemeinde ist, gilt die Geothermieanlage als Betriebsstätte des erwerbenden Unternehmens. Es hat sodann eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages im Sinne der §§ 28 ff. GewStG zu erfolgen. Gemäß § 29 Abs. 1 Ziff. 1 ist Zerlegungsmaßstab das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigen Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an den bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind.
Sollten am Ort der Geothermieanlage keine Beschäftigten vorhanden sein, wird dort das Steueraufkommen gegen Null gehen und am Sitz des Betreiberunternehmens vollständig anfallen.
Fraglich ist, ob Geothermieanlagen analog § 29 Abs. 1 liff. 2 GewStG zu behandeln sind. Die Vorschrift enthält einen eigenen Zerlegungsmaßstab aus umweltpolitischen Gründen. Zu 3/10 wird das Verhältnis der in den einzelnen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne, zu 7/10 wird das Verhältnis der Summe der Sachanlagen zu den Sachanlagen in den einzelnen Betriebsstätten angesetzt. § 29 Abs. 1 liff. 2 GewStG regelt jedoch ausdrücklich den Zerlegungsmaßstab beim Betrieb von Windenergieanlagen. Wegen des ausdrücklichen Wortlauts „Windenergie“ und des Grundsatzes der engen Auslegung von Ausnahmevorschriften verneint die herrschende Meinung die Anwendungsfähigkeit von § 29 Abs. 1 liff. 2 auf Geothermieanlagen.
Somit hat bei Geothermiebetrieben die vorbezeichnete Zerlegung im Sinne des § 29 Abs. 1 liff. 1 GewStG im Verhältnis der Summe der Arbeitslöhne zu erfolgen. Dies bedeutet, dass bei der Verlegung von GeothermieUnternehmen an einen anderen Ort als der eigentlichen Betriebsstätte im Extremfall für die Gemeinde, wo sich die Betriebstätte befindet, keine Gewerbesteuererträge anfallen.
München, den 28.06.2010
gez. von Wallenrodt
Rechtsanwalt/Steuerberater