Brief an das Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit – und Antwort über die SZ
FINGERHUT RECHTSANWÄLTE
MÜNCHEN, 23.11.2012
Vorab per Fax: 089 9214-2266
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Herrn Staatsminister Marcel Huber
Rosenkavalierplatz 2
81925 München
Geothermie-Kraftwerk in Bernried, Höhenried-West
Sehr geehrter Herr Staatsminister Huber,
wir vertreten eine derzeit aus ca. 1200 Mitgliedern bestehende Bürgerinitiative, die sich in einem im Vereinsregister München am 20.04.2010 eingetragenen und vom zuständigen Finanzamt als gemeinnützig anerkannten „Verein zum Schutz des Westufers des Starnberger Sees“ rechtlich organisiert hat. Wir vertreten ferner mehrere vom nachfolgend geschilderten Vorhaben betroffene Grundstückseigentümer in den Gemeinden Kampberg, Haunshofen und Tutzing-Unterzeismering westlich des Starnberger Sees. Namens unserer Mandanten teile ich folgendes mit:
1. Ich habe an Ihr Ministerium für meine Mandanten unter dem 05.05.2010 geschrieben und die umweltrechtlichen Bedenken gegen das GeothermieKraftwerk „Höhenried-West“ vorgebracht, das in einem Landschaftsschutzgebiet westlich des Starnberger Sees errichtet werden soll. Auf dieses Schreiben und die Folgekorrespondenz nehme ich Bezug. Das vorläufig abschließende Schreiben Ihres Hauses datiert vom 21.07.2010, in dem wir auf die laufenden Genehmigungsverfahren verwiesen wurden. Ferner hat sich Ihr Haus darauf berufen, dass die Federführung für Tiefe Geothermie beim Bayerischen Wirtschaftsministerium liegt und Ihr Ministerium nicht direkt verfahrensbeteiligt sei.
Kopien der beiden vorgenannten Schreiben vom 05.05.2010 und 21.07.2010 füge ich vorsorglich in den Anlagen bei.
2. Nun haben wir der Presse entnommen, dass sich Ihr Haus vor einigen Monaten in die Auseinandersetzung um den geplanten Ausbau der Donau bei Straubing eingeschaltet hat und Sie diesen Ausbau aus Umweltgründen abgelehnt haben. Ich gehe davon aus, dass auch bei diesem Projekt die Federführung beim Wirtschaftsministerium liegt; gleichwohl gibt es eine eindeutige und umweltpolitisch begrüssenswerte Positionierung Ihres Hauses. Diese wird möglicherweise dazu führen, dass dieses wirtschaftlich erwünschte, umweltpolitisch aber schädliche Projekt des Donauausbaus bei Straubing nicht realisiert wird.
In gleicher Weise hat sich die Staatsregierung durch Herrn Ministerpräsident Seehofer in den letzten Tagen in die Diskussion um den Ausbau des Münchner Südrings eingeschaltet. Während der für die Verkehrspolitik zuständige Innenminister Hermann den verkehrspolitisch erwünschten Ausbau des Südrings erneut zur Sprache gebracht hatte, wurde er ausweislich einer Meldung in der Süddeutschen Zeitung vom 20.11.2012 von Herrn Seehofer aus umweltpolitischen Gründen „zurückgepfiffen“ .
Meine Mandantschaft entnimmt der Entwicklung dieser beiden vorgenannten Projekte, dass die Staatsregierung umweltpolitische Aspekte stärker in den Vordergrund rückt als bisher. In der Tat mag es für viele Vorhaben bedenkenswerte wirtschaftliche oder entwicklungspolitische Gründe geben, während gleichzeitig wegen hieraus folgender schwerwiegender Eingriffe in die Natur durchgreifende umweltpolitische Einwände entgegenstehen.
3. Der wirtschaftspolitische Nutzen des Donau-Ausbaus und der verkehrspolitische Nutzen des Südrings sind wohl unbestreitbar, gleichwohl werden beide Projekte aus vorrangigen Umweltgesichtspunkten wohl nicht durchgeführt. Um wie viel mehr muss dann das beabsichtigte Vorhaben eines großen Geothermie-Kraftwerks in der Gemarkung Höhenried-West im Landschaftsschutzgebiet westlich des Starnberger Sees gestoppt werden, dessen wirtschaftlicher Nutzen in höchstem Maße fragwürdig ist und das eine irreversible Schädigung der geschützten Landschaft westlich des Starnberger Sees mit sich bringt!
Bei diesem nach der Planung größten Geothermie-Projekt Mitteleuropas soll in einem Landschaftsgebiet ein Geothermie-Kraftwerk entstehen, das durch seinen Betrieb nahezu so viel billig eingekauften Strom verbraucht wie es Strom produziert, den es dann teuer verkauft – wobei sich australische Investoren, die dieses Vorhaben finanzieren, auf Kosten der stromverbrauchenden Bürger und zum Schaden der Bayerischen Landschaft durch die Zuschüsse gemäß dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) eine goldene Nase verdienen.
Es soll dort ein Kraftwerk mit einer täglichen Förderung von rund 21 Mio. Liter Thermalwasser entstehen, das in kilometerlangen Leitungen durch bislang unberührte Landschaft zu den weit entfernten Haushalten gebracht, sodann unter Einsatz autobahnlautstarker Turbinen (über 90 Dezibel A) zur Stromerzeugung genutzt und schließlich in einem höchst aufwendigen Reinjektionsverfahren wieder in das Erdreich verpresst wird.
Das ganze Objekt ist wirtschaftlich unergiebig und ökologisch eine Katastrophe.
Die verfahrensbeteiligten Behörden – Regierung von Oberbayern und Landratsamt Weilheim – haben erst nach langem Zögern und unter offensichtlicher Vernachlässigung ökologischer Argumente aufgrund des vom Bayerischen Wirtschaftsministerium ausgeübten nachhaltigen Drucks die einschlägigen Genehmigungen erteilt. Die mit diesen Genehmigungen verbundenen Auflagen ändern nichts daran, dass hierdurch ein schwerwiegender Eingriff in bisher unberührte und durch Landschaftsschutzverordnungen der Landkreise Weilheim und Starnberg geschützte Natur von staatlichen Organen zugelassen wird.
4. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, Herr Staatsminister, dass sich das Umweltministerium durch Ihre Person ebenso wie beim Donauausbau in dieses geplante Geothermie-Projekt einschaltet und seinen Einfluss geltend macht, dass dieses Vorhaben gestoppt wird. Noch ist die Rechtslage reversibel, weil die erteilten Genehmigungen infolge von meiner Mandantschaft eingereichter Klagen nicht rechtskräftig sind. In Anbetracht der restriktiven Rechtsprechung der Bayerischen Verwaltungsgerichte zur Klagebefugnis von Umweltorganisationen und betroffener Bürger besteht aber die Möglichkeit, dass die in der Sache berechtigten Klagen aus rein formellen Gründen letztlich erfolglos bleiben und dieses Kraftwerk-Monster im Landschaftsschutzgebiet tatsächlich gebaut wird. Für Flora und Fauna des Gebiets westlich des Starnberger Sees, aber auch für die in unberührter Natur Erholung suchenden Bürger, wäre dies ein verheerender und irreversibler Eingriff.
Bekanntlich hatte die Natur bis vor einiger Zeit keine Lobby; erst durch die Einrichtung der Umweltministerien hat sich hieran in Deutschland etwas geändert.
Aber auch das hilft nicht, wenn die Zuständigkeit für die Genehmigung eines derart naturfeindlichen Vorhabens aufgrund des veralteten Bundesberggesetzes beim Wirtschaftsministerium liegt, das von seiner AufgabensteIlung energiewirtschaftlichen Überlegungen stets den Vorrang vor naturerhaltenden Argumenten gibt – wobei vorliegend, um es noch einmal zu betonen, dort verkannt wird, dass der tatsächliche Energiegewinn wegen des enormen Energieverbrauchs bei der Thermalwasser-Förderung minimal ist.
Deshalb nach alledem meine dringende Bitte an Sie, Herr Staatsminister, sich auch hier einzuschalten und die Erhaltung eines der schönsten Erholungsgebiete Oberbayerns zu sichern.
Mit vorzüglicher Hochachtung
(Dr. Fingerhut)
Rechtsanwalt
Kopie:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Herrn Bundesumweltminister Peter Altmeier
Süddeutsche Zeitung, Starnberg
Münchner Merkur
Bayerische Staatskanzlei, Herrn Ministerpräsident Horst Seehofer
Bürgerinitiative Schutz Westufer Starnberger See e.V.