Erdbeben nach Flüssigkeits-Injektionen

von Dipl.-Ing. (Physik) Hermann Edelmann

Im dtv Brockhaus Lexikon, Ausgabe 1989 findet sich unter dem Begriff Erdbeben folgender Hinweis: „Nach dem Bau von Staudämmen sowie dem Einpressen von Flüssigkeit in tiefe Bohrlöcher traten Schadenbeben in bis dahin seismisch ruhigen Gebieten auf, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen menschlichen Eingriffen und den Erdbeben vermuten lassen (Man-made-earthquakes).“

In dem Buch von Götz Schneider „Erdbeben“ (2007 – Elsevier GmbH München, Spektrum Akademischer Verlag) heißt es auf Seite 95: „Einen Nachweis zwischen den Füllphasen eines Stausees und der damit verbundenen Erdbebentätigkeit erbringt Carder (1954) für den Hoover-Damm im Colorado-River …“ Nach einer Häufung solcher Phänomene in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts sprach man von „Staudamm-Seismizität. Als Erklärung wurde zunächst die Zusatzbelastung durch die aufgebrachten Wassermassen angesehen.

Nach dem Einpumpen von Abwasser (1967 – 1968) aber in einen zerklüfteten Fels in den Rocky Mountains bei Denver/Colorado in 3 bis 5 km Tiefe wurden ebenfalls Erdbebenserien ausgelöst. In diesem Fall kam natürlich als Ursache nicht eine größere Zusatzbelastung durch überlagerte Wassermassen in Frage. Vielmehr hatte das eingepumpte Abwasser zweierlei „Begünstigungen“ bewirkt: Sein Druck erhöhte den sog. Porendruck, wodurch sich vorhandene Scherspannungen über seismische Bewegungen leichter abbauen konnten. Außerdem wurde durch das Abwasser die Reibung auf den Scherflächen verringert (ein „Schmiereffekt“). Die von Menschen induzierte Seismizität hat nach den Aktivitäten von Denver ganz allgemein die Bedeutung von Fluiden (der Sammelbegriff für Flüssigkeiten und Gase) für tektonische Prozesse verdeutlicht.

Die Verknüpfung von seismischen Erscheinungen mit Injektionen in tiefe Bohrungen wurde allerdings bei Denver bereits 1962 festgestellt. Seit damals hat man durch Injektionen getriggerte Erdbeben weltweit beobachtet und zwar in großer Zahl. Um auf das Geothermiegeschehen in unserer Umgebung zu kommen: Injektionen werden nicht nur beim HDR-Verfahren (Hot Dry Rock), wie in Basel vorgenommen, sondern natürlich auch bei dem in unserer Gegend zur Anwendung kommenden Thermalwasser-Verfahren (Reinjektion!), nicht zuletzt auch in dem für Bernried geplanten Projekt !!

Einige Beispiele für Erdbebenauslösungen durch Injektionen seien angehängt – für Interessierte kann eine Liste mit den Publikationen verfügbar gemacht werden. Das Gleiche gilt für eine Bibliographie von durch Geothermie verursachte Erdbeben (40 Publikationen) und eine weitere zu durch Geothermie und Ölförderung verursachte Erdbeben (135 Publikationen).

Beispiele für Erdbeben nach Flüssigkeits-Injektionen:

  1. In China, Zilinjing: Salzgewinnung ab 1978 mittels Wasserinjektionen mit
    hohem Druck. Dann: 29.03.1985 Erdbeben mit bis zu 4,8 Magnituden mit
    großen Schäden.
  2. In Arkansas kam es beim „Stimulieren“ des felsigen Untergrundes für ein
    HDR-Verfahren am 27.10.2009 zu Erdbebenschäden (ca. 100.000 US$).
  3. Schäden durch Wasserinjektion (in einem Salzabbaugebiet) bei Dallas/Texas
    im August 2009.
  4. Zu Schäden durch induzierte Erdbeben kam es auch schon in Neuseeland
    und auf den Phillipinen.
  5. In Cerro Prieto, einem Mexikanischen Hydrothermalen Geothermie-Feld wurden
    Erdbeben in einem Umkreis von 10 km von dem Reinjektionspunkt gemessen.
  6. Erdbeben in Alabama (Magnitude 4,9) in der Nähe eines Ölfeldes mit
    2 Reinjektionsstellen.
  7. Rangely/Colorado: 1995 über 1000 Erdbeben – eines mit einer Magnitude
    von 4,3.
  8. Ohio/USA: Erdbeben nach Injektion von Abwässern im Januar 2002
  9. Zwei Erdbeben in Norddeutschland: 20.10.2004
    Magnitude 4,4, schwankende Häuser, aufgerissene Zimmerwände, und 15.07.2005, Magnitude 3,8, wieder Erschütterung von Gebäuden. Epizentrum nahe Rotenburg südlich von Hamburg in einem Erdgasgebiet.
    Ursache: Um das Erdgas besser aus dem Untergrund treiben zu können, pumpten Firmen Wasser in den Boden.
  10. Peißenberg: Schwere Erdbeben am 16.09.1967, am 09.10.1967 und am 17.09.1969
    jedesmal Magnitude 5,5. Sicher erhebliche Schäden. Ursache: Einleitung von Wasser in das aufgelassene Bergwerk (Überlegung: Wasser könnte den
    Einsturz aufgegebener Stollen verhindern).

Ein paar persönliche Anmerkungen zur Diskussion um das Bernrieder  Projekt seien hier noch angebracht:
Im Sinne unserer Interessen bei unseren Bemühungen geht es keineswegs ausschließlich um die real bestehende Gefahr von Erdbeben durch Wasserinjektion. Die Beispiele Staufen (Geländehebung), Schorndorf (Geländesenkung), Wiesbaden (Überflutung) oder Kamen (Anbohren eines 70 m tief liegenden Hohlraumes mit starken Gebäudeschäden in der Folge) zeigen, dass es durch Geothermieprojekte noch zu ganz anderen und völlig unerwarteten Schäden kommen kann.
Die Verantwortlichen in Bernried und anderswo werden dennoch weiterhin alle bekannten und unbekannten Gefahren abstreiten, um ihre völlig überteuerten Projekte wegen der hohen staatlichen Subventionen zu verfolgen.
Ein bemerkenswertes Beispiel für unwahrhaftige Beschönigungen: Bei der Bernrieder Informationsveranstaltung am, 23.10.2009 war unter anderem auch Dr. Joachim Wassermann vom Bayerischen Erdbebendienst anwesend. Er erklärte in seinem Vortrag und auch in der anschließenden Diskussion noch einmal, dass das Auftreten von Schadensbeben in unserer Gegend sehr unwahrscheinlich sei, aber nicht ausgeschlossen werden könne. Dieser letzte, aber sehr wichtige Nebensatz fehlt im Bericht der BE Geothermal von der Informationsveranstaltung. Ob das nur ein Versehen war?
In der genannten Bernrieder Informationsveranstaltung am 23.10.2009 wurde auch die oben angesprochene Porendruckerhöhung durch Wassereinpressung in die Diskussion eingebracht. Prompt kam wieder die bekannte Entgegnung, das Wasser stünde ja schon durch das Gewicht des überlagerten Gesteins unter so hohem Druck, dass es bis ca. 400 m unter der Oberfläche aufsteigt. Der Kommentar, dass das Auffüllen dieser 400 m in der Reinjektionsbohrung an ihrem unteren Ende auch schon eine Porendruckerhöhung von 400 Tonnen pro Quadratmeter ergibt, veranlasste Dr. Wassermann zu der Anmerkung, es reiche unter Umständen schon viel weniger zum Auslösen eines Erdbebens. Weitere Ergebnisse dieses Diskussionsthemas sind nicht herausgekommen, denn man hat es ja schließlich mit Meistern im Weghören und Themenwechseln zu tun.
Übrigens, in Unterhaching wurde nach nur zweieinhalb Jahren Betriebszeit die Förderpumpe von anfänglich 400 m Tiefe auf 700 m gesenkt. Neben der Frage, welche Auswirkungen dies auf die Porendruckverhältnisse hat, wirft die Veränderung nach so kurzer Zeit natürlich ein besonderes Licht auf ein andres Thema, die Nachhaltigkeit. Wann wird die nächste Absenkung in noch größere Tiefe erfolgen?
Für Herrn Stahl existiert das Thema Nachhaltigkeit anscheinend überhaupt nicht. Versprach er doch in einem Interview mit Herrn Michael Morper von der Süddeutschen Zeitung am 17.08.2009: „Die ersten Bohrlöcher werden wir aller Voraussicht nach mindestens 200 Jahre lang nutzen können, die Stromerzeugung könnte über 100 Jahre funktionieren.“
Zuweilen ist eben der Wunsch der Vater des Gedankens!
Dipl.-Ing. (Physik) Hermann Edelmann

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Überraschend war, wie gering diese Änderungen sein können, um schon ein Beben auslösen zu können.
“Unsere Ergebnisse zeigen damit auch, dass die Erdkruste schon auf kleinste Veränderungen sehr empfindlich reagieren kann”
Professor Heiner Igel
(seit 1999 Professor für Geophysik an der LMU und leitet das Seismologische Observatorium München und den Erdbebendienst Bayern.)
Department für Erd- und Umweltwissenschaften der LMU
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